Lebenshilfe statt Sterbehilfe

Sterbehilfe

„So will ich nicht mehr leben“. Diesen Satz hören Mitarbeiter im Hospiz- und Palliativwesen immer wieder von den von ihnen betreuten Menschen. Die Gründe für diese Sterbewünsche sind so vielfältig wie die Patienten und Patientinnen selbst und reichen von unzureichend therapierten Schmerzen über Depression bis hin zur Angst, jemandem zur Last zu fallen. Wir wissen, dass Sterbewünsche ambivalent sind und sich im Laufe einer Erkrankung mehrfach ändern können. Fast regelhalft treten sie bei Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen auf. 

Der professionelle Umgang mit diesen Sterbewünschen ist eine wichtige Aufgabe in der Hospiz- und Palliativarbeit. Es geht darum, diese Gedanken ernst zu nehmen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln das Leben bis zuletzt lebenswert und mit bestmöglicher Lebensqualität zu gestalten. Die Wahrung der Selbstbestimmtheit ist in diesem Zusammenhang ein wesentlicher Faktor.

Im Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes Ende 2020 wurde das Verbot des assistierten Suizids, also der Beihilfe zur Selbsttötung als verfassungswidrig angesehen. Bis Ende 2021 sind nun die Mitglieder des österreichischen Parlaments gefordert, eine entsprechende gesetzliche Regelung für die Rahmenbedingungen zur Durchführung des assistierten Suizids zu finden. 

Somit wird es ab nächstem Jahr eine neue „Option“ für Menschen mit Sterbewünschen in Österreich geben. Da wir die gesetzliche Regelung zum jetzigen Zeitpunkt nicht kennen, lassen sich die Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Gesundheitssystem schwer einschätzen. So ist beispielsweise noch unklar, ob die Beihilfe zur Selbsttötung nur für Menschen mit schweren Erkrankungen am Lebensende oder für alle gilt. Es ist auch nicht geklärt, wo und von wem dies durchgeführt werden soll. Offen ist auch die Frage des Entscheidungsprozesses – wer entscheidet beispielsweise wann und auf welcher Grundlage über die Möglichkeit der Inanspruchnahme des assistierten Suizides? 

 

Eine existenzielle Frage

Das Thema macht betroffen und schürt an unseren Grundwerten und an unseren Ängsten. Eine rein sachliche Diskussion ist oft nicht möglich. Der Wert des Lebens wird dem Grad der Selbstbestimmtheit gegenübergestellt. 

Daran anknüpfend drängen sich grundsätzliche existenzielle Fragen auf. Um diese Fragen beantworten zu können, ist es unabdingbar sich mit der eigenen Idee eines „lebenswerten“ Lebens, aber auch eines „lebenswerten“ Sterbens auseinanderzusetzen. Diese Idee ist häufig geprägt von kulturellen Strömungen, aber auch von unseren eigenen, höchstpersönlichen Vorerfahrungen.

Intensive sachliche Gespräche gab es unter anderem im Frühjahr im vom Justizministerium eingesetzten „Dialogforum Sterbehilfe“. Hier kamen Experten aus verschiedenen Bereichen, Befürworter und Gegner der neuen Gesetzesregelung zu Wort. In einer gemeinsamen Stellungnahme des Dachverbandes Hospiz Österreich und der Österreichischen Palliativgesellschaft betonen wir die wichtigsten Eckpunkte für die Gesetzgebung. So sollen Rahmenbedingungen für ein Lebensende in Würde und Sicherheit geschaffen werden. Es muss gelingen, dass vulnerable Gruppen wie Kinder oder Menschen mit Beeinträchtigung geschützt werden und dem Missbrauch ein Riegel vorgeschoben wird. Das Sterbehilfegesetz muss so geregelt sein, dass auf niemanden Druck ausgeübt wird, sei es durch andere Personen, durch gesellschaftliche Strömungen oder Ideologien oder durch ökonomischen Überlegungen.    

 

Hospiz- und Palliativ­versorgung als Schlüssel

Ebenso sind hier die Mitarbeiter des Pflege- und Gesundheitspersonals schützenswert. Niemand darf zur Durchführung des assistierten Suizids gezwungen werden. Es gilt zu überlegen, ob Pflege- oder Gesundheitseinrichtungen der richtige Ort für die Durchführung des assistierten Suizids sind oder ob dies nicht zu einer Überforderung der Systeme und auch zu einem Vertrauensverlust bei den dort betreuten Menschen führt. 

Die Sterbehilfedebatte verdeutlicht uns wieder die jahrelange Forderung nach einer Regelfinanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich. Es hat sich viel getan, es gibt aber immer noch keinen Vollausbau. Somit besteht das Risiko, dass sich Menschen wegen des fehlenden Betreuungsangebotes für den assistierten Suizid entscheiden. Auch hier ist die Politik gefordert, die Ressourcen für diese Lebenshilfe am Ende des Lebens zu schaffen. 

 

OA Dr. Christina Grebe, MSc, Ärztliche Leiterin der Palliativstation am Salzkammergut-Klinikum, Vorsitzende des Landesverbandes Hospiz Oberösterreich, Vizepräsidentin HOSPIZ Österreich.

 

Bildquelle: OA Dr. Christina Grebe, MSc

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